Rösrath - Ortsmitte ohne Laufkundschaft - KStA vom 27.04.2015

Die Händler an der Rösrather Hauptstraße rund um den Sülztalplatz berichten über ihre Stammkunden. Der Verein Gemeinsam für Rösrath (GfR) organisiert Straßenfeste und verkaufsoffene Sonntage um Besucher anzulocken. Von Thomas Rausch

Viele Autos, häufig Zockeltempo, die Parkplätze sind knapp. Dieses Bild prägt das Stück Hauptstraße, das die Rösrather ihre Ortsmitte nennen. Drehscheibe ist der Sülztalplatz, auf der einen Seite reicht die Geschäftszone bis zum Gerottener Weg, auf der anderen endet sie spätestens an der Bahnüberführung nahe der Beienburger Straße. Am Rosenmontag ist hier das pralle Leben, Tausende jubeln dem jecken Zug zu, auch beim Straßenfest am ersten September-Sonntag ist die halbe Stadt auf den Beinen. Dann wird jedem klar, dass hier das Herz des Ortsteils Rösrath schlägt. Ob es auch das Zentrum der ganzen Stadt ist, scheint weniger klar. Denn die Mitte des Ortsteils Hoffnungsthal konkurriert mit dem Zentrum am Sülztalplatz. Während viele die Hoffnungsthaler Mitte lieben, ist das Verhältnis zur Ortsmitte Rösrath nüchtern.

Das liegt schon daran, dass es außer der katholischen Kirche St. Nikolaus wenig alte Bausubstanz gibt. Es fehlt die Atmosphäre. „Einfach bummeln geht man hier nicht“, sagt Yvonne Meyer, Inhaberin des Blumengeschäfts Floristik Neu. Wie andere Geschäftsleute im Rösrather Zentrum hat sie wenig Laufkundschaft, sie zählt auf die Stammkunden, die gezielt in den Laden kommen. Der ist seit Jahrzehnten gut eingeführt, deshalb ließ es Meyer auch bei dem angestammten Namen, als sie das Geschäft vor vier Jahren übernahm. Für Andrang im Laden sorgt laut Meyer auch der Frühling, viele Kunden wollen Blumenkästen und Gräber neu bepflanzen: „Nach dem langen Winter hat man Lust auf Farbe und Blumen.“

Die Frühlingssonne nützt auch dem Eiscafé Va bene am Sülztalplatz, fast alle Tische im Freien sind besetzt. Nenad Mujakovic nutzt seinen freien Tag zum Kaffeetrinken mit seiner Mutter Susi Mujakovic und einem Freund, Antonio Gallegiante. „Das muss man mitnehmen“, sagt er zu dem schönen Wetter. Andere Passanten genießen den Tag mit einem Eis zum Mitnehmen, während nebenan das Wasser am Brunnen plätschert. Seit 2013 ist die Skulpturengruppe „Die Familie“ von Ingrid Bickenbach saniert, den Großteil der Kosten übernahm die Bürgerstiftung Rösrath. 1993 eingeweiht, ist der Brunnen zu einem Markenzeichen des Platzes geworden.

In bester Stimmung ist auch Künstlerin Lucie Albrecht, die an der Hauptstraße das Geschäft „Kunst, ausser gewöhnlich“ betreibt. Es ist ein Atelier mit angeschlossenem Laden, auch Kunst-Kurse bietet Albrecht an. Zu kaufen gibt es Bilder und Objekte der Künstlerin, ihre Handschrift ist von der Pop-Art bestimmt. Aber auch Stofftiere von ihrer Freundin Lucie Bláhová aus Prag und Schmuck von Martina Funk gehören zum Sortiment. Die bunt gepunktete Holzgiraffe Sonia ist eines von Albrechts Objekten, ein Dromedar mit Tupfen und Streifen in vielen Farben hat dagegen noch keinen Namen. „Ich habe Preise für Normalverdiener“, betont Albrecht. Sie will Schwellenangst vermeiden: „Ich fühle mich wie ein Musiker vor leerem Saal, wenn ich nichts verkaufe.“

Erst vor einem halben Jahr hat die Hoffnungsthalerin, die aus Prag stammt, ihr Geschäft eröffnet. 1974 sei sie auf abenteuerliche Weise über die Grenze ihres Heimatlands geflüchtet und per Zufall nach Köln gekommen, erzählt sie. „Was für ein Glück, denn ich bin ein echtes kölsches Mädchen.“ Albrecht liebt die Offenheit der Menschen: „Meinen ersten Karneval habe ich mit wildfremden Menschen gefeiert. Die wollten, dat dat Mädche weiß, wie dat in Kölle jeht.“ Relativ neu unter den Geschäften an der Hauptstraße ist auch der Juwelierladen Istanbul, Inhaber Hüseyin Günes aus Burscheid hat ihn vor knapp zwei Jahren eröffnet. „Ich habe gesehen, dass hier noch kein Juwelier war“, erzählt er. So entschloss er sich, neben seinem Burscheider Geschäft noch ein zweites in Rösrath zu eröffnen. Er wechselt die Batterien von Uhren, macht Ringe enger oder weiter und repariert Schmuck. So kommen Kunden zu ihm, die sich auch für Schmuckstücke oder Uhren interessieren, die er verkauft.

Zu den alteingesessenen Händlern in der Rösrather Ortsmitte zählt das Elektrogeschäft EP: Bosbach. Das Kürzel „EP“ weise auf eine Einkaufskooperation hin, der bundesweit 6000 Händler angeschlossen seien, erklärt Inhaber Jörg Klug. Durch die „große Einkaufsmasse“ könne die Kooperation bei der Industrie attraktive Preise aushandeln und diese an die Kunden weitergeben. „Sie können bei uns fast alles haben, was einen Stecker hat“, erklärt Klug. Die Palette reicht vom Fernseher bis zum Elektrorasierer. Den langjährigen Erfolg des Geschäfts erklärt Klug damit, „dass wir extrem dienstleistungsorientiert sind“.

Auch Anneliese Ploigt, die gerade eine neue Waschmaschine gekauft hat, schätzt den Service. Sie kauft aber auch bewusst in Geschäften in der Ortsmitte: „Ich möchte die Händler im Ort unterstützen, damit Rösrath in Sachen Geschäfte nicht ausstirbt.“ Seit 1953 lebt sie in Rösrath. „Da weiß ich, wie es mal war“, stellt sie fest. „Dieses Ladensterben in den kleinen Städten ist eine Schande.“

Elektrohändler Klug sieht Gründe dafür, dass Rösrath-Mitte ein schwieriges Pflaster für Geschäftsleute ist. „Hier liegt vieles im Argen“, findet er. „Die Parksituation ist eine Katastrophe.“ Laufkundschaft sei auch bei ihm selten. Zum Kühlschrank-Kauf komme ein Kunde gezielt, aber ein Mixer oder Pürier-Stab werde auch mal spontan gekauft.

Auch Stefan Viemann, der mit seiner Frau Manuela Viemann-Klapsing das Büroartikel-Geschäft IBS führt, kennt diese Probleme. Er versteht sich als „Nahversorger“, der den alltäglichen Bedarf an Schulsachen, Bürowaren und Spielzeug abdeckt. „Man möchte nicht immer 30 Kilometer fahren, um einen Lamy-Stift zu besorgen“, stellt er fest. Aus seiner Sicht haben sich durch den Wegzug des Edeka-Markts aus der Ortsmitte die Probleme des Handels verschärft, der alltägliche Einkauf habe sich nun zu den Supermärkten am Bahnhof Rösrath oder anderswohin verlagert. Die Diskussion über ein Einkaufszentrum an der Bitze, dessen Chancen die Stadt Rösrath weiter ausloten will, verfolgt er daher mit Interesse: „Wenn da was passieren würde, wäre das für die Ortsmitte eine perfekte Situation, glaube ich.“

Kleine Schritte unternimmt der Verein Gemeinsam für Rösrath (GfR), der sich für ein lebendiges und attraktives Rösrather Zentrum einsetzt. Er organisiert Straßenfeste und verkaufsoffene Sonntage, sorgt für Weihnachtsbeleuchtung oder für gepflegte Beete am Sülztalplatz. Als weiteres Beispiel nennt der Vorsitzende Hans Jürgen Kautz die Bänke für Senioren, die die Bürgerstiftung aufgestellt hat. Der Verein GfR habe das angeregt. So könnten ältere Menschen auf dem Weg vom Supermarkt in die Ortsmitte ausruhen. Kautz: „Manchmal sind es die kleinen Dinge, die Erfolg bringen.“